Doderer

Beatrix Doderer & Helmut Stange

Tauben im Gras von Wolfgang Koeppen

Lesefassung von Tristan Berger

Tauben im Gras schildert kaleidoskopartig die Geschehnisse eines einzigen Tages in München im Februar des Jahres 1951. Wolfgang Koeppen schildert München Anfang der 50er Jahre mit einer Klarheit und Wahrheit – all die Schieber, Flitscherl, die Fraternisation, die Angst vor den “Negern”, die Landser-Erlebnisse, die Kriegsgewinnler, die damals schon aktiven Werbefuzzis in Begleitung puppenhafter Hungerhaken –, daß alle, die auf den Proben einen ersten Eindruck gewinnen konnten, sagen: Das ist wie eine Zeitreise, ja, genau so war es, genau so! – Mit einer Fülle genauer atmosphärischer Details zeichnet Koeppen den Nachkriegsalltag der Stadt und ihrer Bewohner, die einem besseren Leben nachjagen, nach Geld und Genuß gieren, Liebe oder Ruhm suchen. Dem Zuhörer begegnet ein Pandämonium von gestrandeten und entwurzelten Gestalten, in denen Krieg und Faschismus, wiewohl de facto beendet, noch in jedem Winkel der Stadt, in jedem menschlichen Bewußtsein spürbar sind.

„Wer vergessen hat, wie es 1945 um uns stand, der lese ‚Tauben im Gras’…, und er wird wieder wissen, fühlen, schmecken, wie das war: Hunger, Schwarzmarkt, Lebensgier, Stolz und Anbiederung vor Besatzungsmächten, Mut, Feigheit, allgemeine Haltlosigkeit …“ (WDR).

Wolfgang Koeppen hat in den 50ern die brillante Romantrilogie „Tauben im Gras“, „Das Treibhaus“ und „Der Tod in Rom“ geschrieben, um für den Rest seines Schriftstellerlebens mit Ausnahme weniger kleinerer Texte zu schweigen. Der in Greifswald geborene Schriftsteller lebte seit 1943 bis zu seinem Tod am 15. März 1996 in München. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Büchner Preis 1962 und den Kulturellen Ehrenpreis der LH München.

Hintergrundinformation: Die Lesefassung von “Tauben im Gras” hat der Dramaturg Tristan Berger vor zwei Jahren für Jörg Hube erstellt. Geplant als letzter von insgesamt sechs Texten für die CD-Edition “Jörg Hube liest Literatur des 20. Jahrhunderts” kam es aufgrund des viel zu frühen Todes von Jörg Hube zu keiner Lesung und zu keiner Aufnahme von “Tauben im Gras” mehr; die CD-Edition mußte mit nur fünf aufgenommenen Texten erscheinen (Herbst 2009).

Eindreiviertel Jahre nach Hubes Tod und anläßlich des 15. Todestages von Wolfgang Koeppen kann die Lesefassung von “Tauben im Gras” nun der Öffentlichkeit in einer Lesung präsentiert werden – von Jörg Hubes Lebensgefährtin Beatrix Doderer und einem der langjährigsten Ensemblemitglieder von Dieter Dorn, dem 80jährigen Helmut Stange.

Beatrix Doderer ist seit 2003 Ensemblemitglied am Residenz Theater – zuvor war sie in Augsburg (Augsburger Theaterpreis 2003), Bern und an den Münchner Kammerspielen engagiert.

Helmut Stange gehört seit 1973 dem Ensemble von Dieter Dorn an – alleine an den Münchner Kammerspielen hat er in über 60 Inszenierungen mitgewirkt. Er ist Repräsentant einer Schauspielergeneration, die die Sprache als Zentrum ihrer Arbeit begreift.